Workshop »Topografie des Strategischen«

Nohr/Wiemer/Böhme | 14.11.2010 | Zitierlink |

Ablauf | Abstracts | Audiomitschnitte

Medien erzeugen Räume, Spielräume für Handlungen und Kommunikationen. In die Problemstellung und Konfliktsimulation des jeweiligen Spiels gehen ›strategische Erzählungen‹ ein, die sich einerseits an den medial erzeugten Räumen des Computers und andererseits an realen Konflikten und deren ›Nacherzählung‹ ausrichten. Gleichzeitig generieren Computerspiele aber auch Medienräume für die eigentliche Spielhandlung (als virtueller Spielraum oder Spielfeld) und evozieren so spezifische Räume der Kognition, verstanden als ›kognitive Karte‹, mit deren Hilfe sich die Spielsubjekte in den Medienräumen orientieren und eigene Handlungskonzepte entwerfen.

Ablauf und Zeitplanung

Zusammen mit dem Projektteam referierten und diskutierten: Britta Neitzel, Sergej Stoetzer, Niels Werber, Stephan Günzel, Matthias Mertens, Ulrike Bergermann und Ramón Reichert. Der Workshop fand statt vom 14.11.2008, 14 Uhr, bis zum 15.11.2008, 14 Uhr im Institut für Medienforschung an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.

Tag 1: 14.11., Veranstaltungsort: Institut für Medienforschung
Uhrzeit Thema Referent
14:00 Begrüßung
14:15 Einführung in Projekt und Erkenntnisinteresse Rolf F. Nohr
14:45 Fokussierung: Das Raummoment des Spiels Stefan Böhme
15:00 »Raum als strategisches Moment des Computerspiels« Stephan Günzel
16:00 Kaffeepause
16:30 Fokussierung: Geopolitik und Spiel Rolf F. Nohr
16:45 »Globaler Nicht-Krieg. Akteure, Räume, Strategien« Niels Werber
17:45 Abschlussdiskussion
18:45 Veranstaltungsende

.

Tag 2: 15.11., Veranstaltungsort: Institut für Medienforschung
Uhrzeit Thema Referent
10:00 Begrüßung
10:15 Fokussierung: Soziologische Raumtheorie und Spiel Serjoscha Wiemer
10:30 »Soziologische Raummodelle an der Grenze (real/virtuell)« Sergej Stoetzer
11:30 Kaffeepause
12:00 Fokussierung: Landschaft und Spiel Rolf F. Nohr
12:15 »Welt und Ort – Karte und Territorium« Britta Neitzel
13:15 Abschlussdiskussion
14:00 Veranstaltungsende

Abstracts

Welt und Ort – Karte und Territorium – Britta Neitzel

Computerspiele operieren häufig mit dem Begriff der Welt. Einige Spiele, von Super Mario World bis World of Warcraft, tragen die Welt im Titel, andere, wie The Elder Scrolls: Oblivion liefern zumindest eine Weltkarte mit. Wieder andere, wie z. B. die GTA-Reihe, sprechen nicht von Welt, aber von bestimmten Städten, wie Vice City, San Andreas oder Liberty City, von denen Stadtpläne mitgeliefert werden. Ich werde im Vortrag der Frage nachgehen, wie sich die Stadtpläne und Weltkarten zu den Orten und Territorien, in denen sich der Avatar bewegt, verhalten. Ziel ist es, einer Beschreibung der Wechselwirkungen näher zu kommen und einen Beschreibungsvorschlag für den Ort des Spiels zu machen. Eine zugrunde liegende Differenz wird dabei die Unterscheidung vom »gelebten Raum« und dem rationalen Raum der Karte, den Ryan (2001) trifft, sein. Der gelebte Raum sei gekennzeichnet durch eine dichte Beschreibung sowie das Gefühl, dass dieser Raum bewohnbar ist, der Körper sich in diesem Raum befindet. Der Raum der Karte sei rational und ortlos, durch relationale Beschreibungen gekennzeichnet (vgl. Ryan 2001, 121-130). Computerspiele, wie auch andere digitale Medien, sind gekennzeichnet durch die Kombination und durch Mischformen der beiden Arten von Räumlichkeit. So ist der Hypertext des Internets strukturell gekennzeichnet durch ein Netzwerk mit Knoten, also durch Wege, die auf einer Karte verzeichnet werden können. Es finden sich aber auch immer wieder Knoten, an denen sich Orte etablieren, wie z. B. auf privaten Homepages, oder auch verschiedene Angebote, die mit der Metapher von Orten arbeiten, wie z. B. einer Bibliothek oder einem Spielzimmer. Diese Websites versuchen, innerhalb des rein relationalen Netzwerkes Orte zu etablieren, an denen spezifische Tätigkeiten stattfinden oder bestimmte soziale Beziehungen entstehen können. Computerspiele vermitteln ständig zwischen Welt und Ort – man bewegt sich am Ort und bekommt Übersicht über die Welt durch die Karte. Zur räumlichen Organisation von Computerspielen werden sowohl Orte als auch Karten benutzt. Ich werde auf folgende Punkte eingehen:

  • (Spiel)orte werden in Anlehnung an Relphs (1976) phänomenologische Bestimmung von Orten als Plätze verstanden, die durch (soziale) Handlungen und Interaktionen ihre Bedeutung gewinnen.
  • Unterschiede lassen sich in verschiedenen Spiel-Genres feststellen. So bewegt sich die Spielerin in dreidimensionalen Spielen durch eine Spielwelt mit verschiedenen Orten, an denen je spezifische Handlungen ausgeführt werden, orientiert sich jedoch an einer Karte. In Strategiespielen hingegen behandelt eine Spielerin vorrangig eine Welt als Karte, auf die eine Außensicht vorliegt. Location based games wiederum nutzen Karten, um Spielerinnen Aufgaben an bestimmten realweltlichen Orten zuzuweisen.
  • Die räumliche Organisation der Spiele als Welt mit Orten bzw. als Karte hat, so ist anzunehmen, Rückwirkungen auf die Distanz zum Spiel.
  • Karten müssen oft erst »freigespielt« werden. Erst wenn eine Spielerin sich das Territorium angeeignet hat, also den Spielraum in einen Ort verwandelt hat, entsteht auch eine Karte. Die Karte kann also als eine Aufzeichnung der Bewegungen im Raum verstanden werden (vgl. de Certeau).
  • Das Territorium, in dem sich ein Avatar bewegt, ist kein einfaches Territorium, sondern zugleich als symbolische Repräsentation einer fiktiven Landschaft auch Karte. Die Karten der Spiele wären demnach Karten zweiter Ordnung.

Certeau, Michel de (1988 [1980]) Kunst des Handelns, Berlin: Merve. Relph, Edward (1976) Place and Placelessness, London: Pion. Ryan, Marie-Laure (2001) Narrative as Virtual Reality. Immersion and Interactivity in Literature and Electronic Media. Baltimore & London: Johns Hopkins University Press.

Raum als strategisches Moment des Computerspiels – Stephan Günzel

Ausgehend von der Prämisse, dass das Computerspiel als Medium sich durch ein auf räumliche Strukturen basierendes Bildhandeln auszeichnet, widmet sich der Beitrag dem Raum in seiner strategischen Relevanz. Besonderes Augenmerk wird dabei auf Spiele gelegt, die üblicher Weise nicht unter dem Genre des “Strategiespiels” firmieren: Actionspiele, insbesondere Egoshooter. Raum ist hierin sowohl in perspektivisch wie topographischer als auch in topologischer Hinsicht relevant für den Umgang mit dem Interaktionsbild.

Vertiefend siehe http://www.stephan-guenzel.de/Texte/Guenzel_GeopoliticsGames.pdf

Intermedialität und Medienkomparatistik – Niels Werber

Ich werde zunächst umreißen, was Nicht-Krieg meint, nämlich die Auflösung der alten westfälischen Ordnung samt ihren klassischen Unterscheidungen, etwa von Krieg und Frieden, öffentlich und privat, Front unt Etappe, Innen- und Außenpolitik. Dann werde ich die neuen Akteure vorstellen, die diesen Nicht-Krieg führen: transnationale Schwärme wie Al-Kaida. Die Bekämpfung dieser Schwärme erfordert nach der Einschätzung der Streit- und Sicherheitskräfte der NATO, Israels und anderer bedeutender Akteure eine völlig neue Lagebeschreibung und eine völlig neue strategische Orientierung. Beides zeitigt gravierende Konsequenzen für die Raumkonzepte der Gesellschaft. Die Topographie des Strategischen ändert sind in der Epoche des Nicht-Kriegs vollkommen.

Soziologische Raummodelle an der Grenze (real/virtuell)

Meinen Vortrag werde ich auf dem relationalen Raumbegriff von Martina Löw aufbauen, zeigen, was mit diesem Modell gegenüber anderen (Bourdieu) möglich ist, um dann diese soziologischen Raumvorstellungen auf virtuelle Räume, also z.B. Computerspiele, VR-Darstellungen etc. anzuwenden. Martina Löw’s Raumbegriff zufolge muss für eine Platzierung ein konkreter Ort vorhanden sein (Syntheseleistungen gehen auch ohne Spacings/Platzierung) – “wo” ist dieser in virtuellen Räumen? Ich finde da die Raumvorstellungen/theoretischen Modelle noch recht unpräzise — sie berücksichtigen z.B. nicht, was technisch überhaupt umsetzbar ist (z.B. FarCry vs. Doom1).

Die Überlagerung von Räumen und ihr Auseinanderbrechen möchte ich mit dem Beitrag von Laurie Taylor (When Seams Fall Apart. Video Game Space and the Player; http://www.gamestudies.org/0302/taylor/) erörtern.

Genau hier möchte ich mit ein paar Anregungen die Diskussion eröffnen: Welches Erklärungspotential haben soziologische Raummodelle für virtuelle Räume.

Audiomitschnitte

  1. Einführung in Projekt und Erkenntnisinteresse
  2. Fokussierung: Das Raummoment des Spiels (Stefan Böhme)
  3. Vortrag: »Raum als strategisches Moment des Computerspiels« (Stephan Günzel)
  4. Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Stephan Günzel
  5. Fokussierung: Geopolitik und Spiel (Rolf F. Nohr)
  6. Vortrag »Globaler Nicht-Krieg. Akteure, Räume, Strategien« (Niels Werber)
  7. Diskussion im Anschluss an Niels Werber: »Globaler Nicht-Krieg. Akteure, Räume, Strategien«
  8. Fokussierung: Raumtheorie und Spiel (Serjoscha Wiemer)
  9. Vortrag: »Soziologische Raummodelle an der Grenze (real/virtuell)« (Sergej Stoetzer)
  10. Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Sergej Stoetzer
  11. Vortrag: »Welt und Ort – Karte und Territorium« (Britta Neitzel)
  12. Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Britta Neitzel