Workshop »Medialität des strategischen Spiels«

Nohr/Wiemer/Böhme | 05.01.2010 | Zitierlink |

Ablauf | Abstracts | Audiomitschnitte

Was ist das Strategische, das sich spezifisch in der Struktur und Verwendung des Computers als ›Medium‹ realisiert? Warum ist der Computer scheinbar ›wie gemacht‹für das strategische Spiel? Wie schlägt das Medium der Darstellung und Kalkulation auf die Spiele selbst durch, ihre visuelle Oberfläche, ihre internen Mechanismen, aber auch ihre strategischen Optionen und praktische Spielbarkeit? Hinsichtlich medienspezifischer Transformationen des Strategischen scheint der Vergleich von Table-Top-Spielen und computerbasierten Strategiespielen hilfreich, um ein charakteristisches Differenzmerkmal der computergestützten Spielvarianten zu verdeutlichen: Letztere unterscheiden sich ästhetisch von Brettspielen grundlegend durch die Akzentuierung des Interfaces als Mittel der Darstellung, Aufarbeitung und Manipulation von spielrelevanten Daten. Diese Unterschiede herauszuarbeiten und zu untersuchen, mit welchen visuellen Codes und ästhetischen Konventionen das Informationsmanagement in computerbasierten Strategiespielen erfolgt und wie dem Spieler Zugriff auf verschiedene Informationsebenen gewährt wird, wird (grundlegend für die Betrachtungsebene) Gegenstand des Forschungsprojekts sein.

Ablauf und Zeitplanung

Zusammen mit dem Projektteam referierten und diskutierten: Harald Hillgärtner, Markus Rautzenberg, Mark Butler und Britta Neitzel. Der Workshop fand statt vom 05.02.2010, 14 Uhr, bis zum 06.02.2010, 14 Uhr im Institut für Medienforschung an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.

Tag 1: 05.02., Veranstaltungsort: Institut für Medienforschung
Uhrzeit Thema Referent
14:00 Begrüßung
14:15 Einführung in Projekt und Erkenntnisinteresse Rolf F. Nohr
14:45 Fokussierung: Karte – Transparenz – Opazität Rolf F. Nohr
15:00 »Terra incognita. Zum explorativen Charakter des Computerspiels« Markus Rautzenberg
16:00 Kaffeepause
16:30 Fokussierung: Spielen mit dem Apparat? Zur Maschinnähe des Spiels Serjoscha Wiemer
16:45 »Die Maschine im Medium: Strategie-Spiele als Perspektivierung des medialen Dispositivs Computer« Harald Hillgärtner
17:45 Abschlussdiskussion
18:45 Veranstaltungsende

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Tag 2: 06.02., Veranstaltungsort: Institut für Medienforschung
Uhrzeit Thema Referent
10:00 Begrüßung
10:15 Fokussierung: Handlung und Medialität Stefan Böhme
10:30 »Protoss-, Zerg- & Terraner-Werden. Maschinelle Verkettungen des (Echtzeit-)Strategiespielers« Mark Butler
11:30 Kaffeepause
12:00 Zusammenführung und Vertiefung: Medialität und Strategiespiel Böhme/Nohr/Wiemer
13:15 Abschlussdiskussion
14:00 Veranstaltungsende

Abstracts

Terra incognita. Zum explorativen Charakter des Computerspiels – Markus Rautzenberg

Eine der Grundthesen jener Forschungsrichtung, die sich seit einiger Zeit unter dem Banner der „Diagrammatolgie“ und „Schrift-Bildlichkeit“ formiert, ist, dass die durch die zweidimensionale Schematisierung ermöglichte Komplexitätsreduktion von Welt als eine der zentralen Kulturtechniken der Menschheitsgeschichte gelten kann. Der Kern dieser Kulturtechnik besteht, so die These, in einer „Exteriorisierung des Geistes“ (Sybille Krämer), die vor allem räumlich verfasst ist und so durch ihre (medientechnisch ermöglichte) Dauer Abstraktion und Formalisierung überhaupt erst ermöglicht.

Kein Wunder daher, dass diskursanalytische und medienhistorische Projekte, die sich mit dem Phänomen „Karte“ im Sinne von „Map“ beschäftigen, zur Zeit en vogue sind. Das Problem des Verhältnisses von „Karte und Territorium“ (nicht nur unter Semiotikern ein alter Topos) gewinnt dabei neue Brisanz, die unter den Stichworten „Transparenz und Opazität“ vor allem medientheoretische Relevanz zurückgewinnt. Christian Jacob etwa argumentiert, dass Karten zum einen als Medium zur Orientierung genutzt werden und daher gegenüber des von Ihnen Bezeichneten (dem „Territorium“) „transparent“ sind, also im Mediengebrauch verschwinden, andererseits jedoch ebenso als Sedimentierung diskursiver und medientechnischer Konstellationen „gelesen“ werden können und somit Aufschluss über ihren geistesgeschichtlichen Entstehungszusammenhang gewähren. In dieser Perspektive werden Karten dann medientechnisch „opak“, da nicht mehr ihr instrumenteller Charakter, sondern ihre artifizielle Gemachtheit im Vordergrund steht.

Computerspiele finden in diesem Zusammenhang bisher nur vereinzelt Beachtung, was insofern verwunderlich ist, als gerade diese von Anfang an vor allem explorativen Charakters waren und diesen Aspekt bis heute noch wesentlich erweitert haben. Die Bedeutung des „Mappings“ ist dabei so offensichtlich, dass sie leicht übersehen werden kann. Während Spiele wie „The Bard’s Tale“ oder die frühen „Ultima“-Teile noch vom Spieler verlangten selbst eine Karte zu zeichnen, um sich in den „Dungeons“ zurecht zu finden, sind Karten heute einer der wichtigsten Bestandteile von Computerspielen, ja mitunter das Spiel selbst. Egal ob „Mapping“ in Rollenspielen, „Fog of War“ in Echtzeitstrategiespielen, die Katakomben eines „Tomb Raider“ oder die sog. „Map-Kenntnis“, die für Spieler kompetitiver Online-Shooter unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiches Spielen ist; stets gilt: Das Spiel von „Karte und Territorium“ kann mit guten Gründen als eines der Kernelemente des Computerspiels betrachtet werden.

Ausgehend von der von mir bereits andernorts erarbeiteten These, dass die Figur von „Transparenz und Opazität“ nicht als Opposition, sondern medientheoretisch als graduelles Verhältnis bestimmt werden muss, möchte ich in meinem Referat werkstattberichtsartig erproben, welchen Ertrag die genannten Punkte für die Frage nach der Medialität von Computerspielen erbringen können. Es ist zu vermuten, dass die dabei zu machenden Beobachtung vor allem deswegen medientheoretisch besonders reizvoll sind, weil sie es ermöglichen, diskursanalytische, spieltheoretische und phänomenologische Bezugsebenen auf eine integrative Weise zu verbinden. Dabei werden hinsichtlich des Themas besonders interessante neuere Beispiele (World of Warcraft, Halo: ODST, GTA IV) herangezogen werden.

Jacob, Christian (1996): „Towards a Cultural History of Cartography”, in: Imago Mundi, Bd. 48, 191-198

Krämer, Sybille (2007): „Karte, Kartenlesen, Kartographie. Kulturtechnisch inspirierte Überlegungen“, in: Bild/Geschichte, hg. v. Philine Helas, Maren Polte, Claudia Rückert und Bettina Uppenkamp, Berlin: Akademie-Verlag, 73-82

Krämer, Sybille (2010): „Medien zwischen Transparenz und Opazität. Reflexionen über eine medienkritische Epistemologie im Ausgang von der Karte“, in: Hide and Seek. Das Spiel von Transparenz und Opazität, hg. v. Markus Rautzenberg und Andreas Wolfsteiner, München (im Druck)

Rautzenberg, Markus (2009): Die Gegenwendigkeit der Störung. Aspekte einer postmetaphysischen Präsenztheorie, Berlin-Zürich 2009, 153-201

Audiomitschnitte

  1. Einführung in Projekt und Erkenntnisinteresse (Rolf F. Nohr)
  2. Vortrag: »Terra incognita. Zum explorativen Charakter des Computerspiels« (Markus Rautzenberg)
  3. Diskussion zum Vortrag von Markus Rautzenberg
  4. Fokussierung: Spielen mit dem ›Apparat‹? Zur Maschinennähe des Spiels (Serjoscha Wiemer)
  5. Vortrag: »Die Maschine im Medium: Strategie-Spiele als Perspektivierung des medialen Dispositivs Computer« (Harald Hillgärtner)
  6. Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Harald Hillgärtner
  7. Vortrag: »Protoss-, Zerg- und Terraner-Werden. Maschinelle Verkettungen des (Echtzeit-)Strategiespielers« (Mark Butler)
  8. Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Mark Butler
  9. Zusammenführung und Vertiefung: Medialität und Strategiespiel (Stefan Böhme / Rolf F. Nohr / Serjoscha Wiemer
  10. Abschlussdiskussion zum Workshop »Medialität des Strategischen«