spiel_verderber. Computerspiele – vom Werkzeug des Teufels zum Familienspaß (und zurück)

Nohr/Wiemer/Böhme | 04.02.2011 | Zitierlink |

Von: Andreas Weich und Julius Othmer

Die Mediengeschichte zeigt, dass zu jeder Zeit vorwiegend neue Medien verteufelt und für den baldigen Untergang der Zivilisation oder bestimmter Teile der Gesellschaft verantwortlich gemacht wurden. Dabei fallen mindestens zwei Aspekte auf: Erstens ist die Zivilisation (noch) nicht untergegangen und zweitens sind viele der ehemals suspekten Medien (wie z.B. die Schallplatte, das Kino, ja sogar die Schrift) und Medienformate (wie z.B. der Roman oder Cartoons und Animationsfilme) heute etablierte Ausdrucksmittel unserer (Hoch-)Kultur. Im Rahmen der Phaenomenale 2011 – Neue Freunde, neue Feinde? Die digitale Welt: Bedrohung oder Chance? griff das Forschungsprojekt “Strategie spielen” diesen Gedanken auf, und untersuchte das Thema am 26.02.2011 im Haus der Wissenschaft mit einer kleinen Ausstellung und mehreren Kurzvorträgen.

Die historisch begründbare Einschätzung, dass derartige Diskurse, die vor den Gefahren der neuen Medien warnen ebenso zuverlässig immer wieder auf‘s Neue auftauchen, wie sie den Kern der Wirkungen und Funktionen der neuen Medien übersehen, sollte im Rahmen der Veranstaltung zum Anlass dienen, ein aktuelles Medium in den Blick zu nehmen, das momentan eine ambivalente Stellung zwischen “Werkzeug des Teufels” und etabliertem Kulturgut einnimmt: Das Computerspiel. Dabei sollte weder der einen noch der anderen Seite das Wort geredet, sondern vielmehr aufgezeigt werden, dass die Diskussionen um “Killerspiele” und Ähnliches eine Handhabbarkeit dieses Mediums durch Verbote suggerieren, die der Komplexität und Wirksamkeit des Computerspiels als Ausdruck und Akteur kultureller Transformationen schlicht nicht gerecht wird. Denn Computerspiele sind gefährlich – aber ganz anders, als gemeinhin angenommen. Das Problem sind nicht die eher selten auftauchenden virtuellen Gewaltbilder, sondern die im Spiel verdeckt wirkenden Diskurse. Denn wie alle Medien prägen Spiele das persönliche und gesellschaftliche Wissen. Computerspiele beeinflussen beispielsweise unsere Vorstellungen von Gesundheit, Arbeit, Sexualität und Wissenschaft; und haben damit bedeutende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft – Auswirkungen, welche durch die in der Vergangenheit geführte Verbotsdebatte bisher übersehen wurden.

Die Veranstaltung richtete sich an alle am Thema Interessierten: Spieler wie Nicht-Spieler, Computer-Profis wie Verfechter analoger Medien, Liebhaber wie Skeptiker. Aus diesem Grund bot der Abend zu Beginn die Möglichkeit in sicherer Umgebung zunächst praktische Erfahrungen mit der dunklen Seite der Medien zu sammeln. Eigens aufgebaute Objekte und Computerstationen luden zum Ausprobieren und Testen einschlägiger Spiele ein. In fünf Kurzvorträgen präsentierten Medienwissenschaftler der HBK Braunschweig und Gäste dann erstmals die “wahre dunkle Seite” der Computerspiele. Es ging dabei um fragwürdige Konzepte von Geopolitik, geheimnisvolle Verbindungen von Computerspielen und Psychotests, allwissende Datenbanken des Managements und nicht zuletzt um die Unterwerfung der Körper der Spielerinnen und Spieler durch die Maschine. Abschließend wurde in lockerer Runde und vor ausgewählten Ausstellungsstücken neuer und alter “gefährlicher” Medien über die aufgeworfenen Fragen diskutiert werden.

Vorbericht in der Braunschweiger Zeitung: “Neue Medien sind immer gleich der Untergang der Zivilisation”